Interview-Serie “5 Fragen an…”
Julia Faulhaber und ihr Team stellen sich der Herausforderung, Markenbotschaften über alle Kanäle hinweg konsistent und gleichzeitig authentisch zu vermitteln – und das unter Budgetdruck und wachsenden Erwartungen. Ihre Erfahrung zeigt: Gerade in der Hospitality zählt die Fähigkeit, eine Marke nicht nur sichtbar, sondern spürbar zu machen. In einer Branche, in der Technologie oft als kühle Effizienzmaßnahme verstanden wird, begreift sie die Digitalisierung als echten Treiber für innovative Gästeerlebnisse – erlebbar, begeisternd und niemals seelenlos. Mit dieser Haltung prägt sie seit Jahren Kommunikationsstrategien, die Marken nachhaltig im Gedächtnis verankern.
Julia Faulhaber, Gründerin von Faulhaber Marketing
Brandcraft: Sie sind seit vielen Jahren im Hotelmarketing aktiv – wie haben sich die Aufgaben und Herausforderungen im Laufe Ihrer Karriere verändert?
Julia Faulhaber: Als ich vor über 20 Jahren in der Hotellerie gestartet bin, standen klassische Massnahmen wie Printanzeigen, PR und Events im Vordergrund. Heute ist Marketing deutlich komplexer und vielschichtiger geworden – digital, datengetrieben und dynamisch. Die grösste Veränderung sehe ich in der Geschwindigkeit, mit der wir kommunizieren, analysieren und reagieren müssen und bei den vielen möglichen Kommunikationskanälen. Früher reichte ein durchdachter Jahresplan – heute müssen wir flexibel Kampagnen in Echtzeit steuern, Trends antizipieren und auf Plattformen präsent sein, die gestern noch keine Relevanz hatten.
Die Herausforderung liegt darin, Markenbotschaften konsistent über alle Kanäle hinweg zu transportieren, dabei aber authentisch zu bleiben – und das mit knappen Budgets und steigenden Erwartungen.
Brandcraft: Welche Rolle spielen Storytelling und Influencer heute im Marketing von Hotels und Destinationen?
Julia Faulhaber: Eine zentrale Rolle. Storytelling war schon immer Teil von erfolgreichem Marketing – doch heute ist es das Herzstück. Gäste wollen nicht nur ein schönes Zimmer, sie suchen Sinn, Emotion und Verbindung. Die Frage ist: Warum soll ich gerade dorthin reisen? Die Antwort liefern gut erzählte Geschichten, die diese Erlebnisse und USPs des Hauses greifbar machen – sei es über Texte, Bilder, Videos oder charismatische Persönlichkeiten. Das Storytelling ist ein kontinuierlicher Prozess – im Idealfall eine unendlich schöne Geschichte, die immer wieder aufs Neue überrascht.
Influencer – und ich spreche hier bewusst von Micro-Influencern und echten Markenbotschaftern – sind dabei wichtige Multiplikatoren. Sie transportieren Erlebnisse glaubhaft, weil sie aus persönlicher Perspektive berichten. Das funktioniert besonders gut, wenn die Zusammenarbeit auf Authentizität und echtem Interesse basiert – nicht auf reinem Product Placement. Die Grenze zwischen PR, Content und Werbung verschwimmt dabei zunehmend, was eine saubere Strategie und klare Guidelines umso wichtiger macht.
Hotel Vitznauerhof (Vitznau, CH)
“Ehrliche Geschichten, lokale Verbundenheit und nachhaltiges Handeln. Die Zukunft liegt nicht nur in neuen Technologien, sondern in der Fähigkeit, echte Beziehungen aufzubauen – digital und analog“.
Brandcraft: Welche Trends beobachten Sie aktuell im Hotelmarketing – und wo sehen Sie die Zukunft? Welche Rolle spielt KI hierbei?
Julia Faulhaber: Ein zentraler Trend ist die Verschmelzung von Technologie und Gasterlebnis – nicht als kühle Effizienzmassnahme, sondern im Sinne echter Innovation, die begeistert. Ein wunderbares Beispiel dafür ist der neue Chatbot im Hotel Vitznauerhof, der Gästen auf spielerische, intuitive Weise hilft, sich vor Ort zurechtzufinden. Ob Restaurantreservierung, Spa-Buchung oder Tipps für Ausflüge – der Bot ist wie ein digitaler Concierge, rund um die Uhr verfügbar, charmant, interaktiv und leicht verständlich. Solche Lösungen zeigen, wie KI nicht ersetzt, sondern ergänzt – und den Aufenthalt spürbar erleichtert.
Ein zusätzlicher Aspekt, der noch zu wenig Beachtung findet, ist die wachsende Rolle von KI bei der digitalen Wahrnehmung von Hotels. Viele Chatbots oder Antwortmaschinen greifen heute automatisiert auf Bewertungsportale, Hotel-Rankings und redaktionelle Online-Artikel zu, um daraus ein Gesamtbild zu formen – inklusive Vergleichen mit anderen Betrieben. Mein Tipp an Hoteliers: Sucht euer eigenes Haus einmal in einer KI-gestützten Antwortmaschine. Es ist aufschlussreich zu sehen, wie der eigene Betrieb algorithmisch eingeordnet wird – und welche digitalen Spuren besonders sichtbar sind. Dieses externe Spiegelbild bietet wertvolle Hinweise für die strategische Markenpflege.
Daneben sehe ich auch eine Rückbesinnung auf das Wesentliche: ehrliche Geschichten, lokale Verbundenheit und nachhaltiges Handeln. Die Zukunft liegt nicht nur in neuen Technologien, sondern in der Fähigkeit, echte Beziehungen aufzubauen – digital und analog. Wer beides miteinander verbindet, wird nicht nur auffallen, sondern nachhaltig in Erinnerung bleiben.
The Chedi Andermatt (Andermatt, CH)
Brandcraft: Viele Hotels suchen heute nach zusätzlichen Erlösquellen. Welche Rolle können Produkte und hochwertiges Merchandise dabei spielen?
Julia Faulhaber: Eine grössere, als viele denken. Hotels sind heute nicht mehr nur Orte zum Übernachten – sie sind Marken mit Charakter, Communities mit Wiedererkennungswert. Merchandise kann dabei helfen, diese Markenidentität zu verlängern – sei es durch hochwertige Produkte wie Duftkerzen, Pflegeartikel, Mode oder sogar limitierte Uhren-Editionen, die das Lebensgefühl des Hotels transportieren. Das CERVO Mountain Resort in Zermatt ist hier ein absoluter Vorreiter und macht dies auf spielerische Weise sensationell gut.
Wichtig ist, dass das Merchandise kein blosser Werbeartikel ist, sondern zum Stil, zur Philosophie und zur Zielgruppe des Hauses passt. Im besten Fall entsteht daraus eine neue Erlösquelle und ein Marketinginstrument zugleich: Gäste nehmen ein Stück der Marke mit nach Hause – und werden so zu Botschaftern.
Brandcraft: Was geben Sie jungen Hotelmarketer:innen in Ihrem Heimatmarkt in der Schweiz heute mit auf den Weg?
Julia Faulhaber: Mut zur Haltung, Freude am Experimentieren und den Willen, die Extrameile zu gehen. Hotelmarketing ist ein spannender, aber auch fordernder Bereich – die Kombination aus strategischem Denken, Kreativität und operativer Umsetzungsstärke ist entscheidend.
Ich empfehle jungen Marketer:innen, sich nicht in Tools oder Trends zu verlieren, sondern immer zuerst die Zielgruppe zu verstehen: Wen will ich erreichen? Was bewegt diese Menschen? Wer das klar beantworten kann, wird auch mit kleinerem Budget grosse Wirkung erzielen.
Und: Vernetzt euch! Die Branche lebt vom Austausch, von Zusammenarbeit und gegenseitiger Inspiration – sei es in der Schweiz oder international.
Hotel Jungbrunn (Tannheim, AT)